Video zum Thema WfbMs

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  • #197741

    Das ist ein Video zum Thema WfbMs:

    https://www.youtube.com/watch?v=0F3ucCK1s-0


    Tägliche Medikation:
    400 mg Amisulprid
    12,5 mg HCT
    10 mg Ramipril

    ab 04.03.2024:
    500 mg Amisulprid
    5 mg Olanzapin
    12,5 mg HCT
    10 mg Ramipril

    ab 15.03.2024
    600 mg Amisulprid
    12,5 mg HCT
    10 mg Ramipril
    4mg Doxagamma

    #197743

    Gutes Video.
    Er hat 100% recht.

    #197747

    Na, manches lässt er aus oder weiß er nicht, zB. das mit der Renteneinzahlung, @PlanB. Unter seinem Video hab ich kurz darüber geschrieben….


    Tägliche Medikation:
    400 mg Amisulprid
    12,5 mg HCT
    10 mg Ramipril

    ab 04.03.2024:
    500 mg Amisulprid
    5 mg Olanzapin
    12,5 mg HCT
    10 mg Ramipril

    ab 15.03.2024
    600 mg Amisulprid
    12,5 mg HCT
    10 mg Ramipril
    4mg Doxagamma

    #197802

    Also ich finde nicht, dass der Youtuber 100% Recht hat, weder im Sinne des Sozialstaatsprinzips, das im Grundgesetz verankert ist, noch im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention.

    Das Sozialsystem ist eine finanzielle Absicherung für die Gesellschaft als Ganzes. Es ist daher meiner Überzeugung nach schlicht und einfach falsch zu sagen, dass kranke, alte, nicht arbeitsfähige usw. Menschen, die auf die Sozialleistungen angewiesen sind, dem Staat oder den Steuerzahlern etwas schulden würden. Es ist unser aller Menschenrecht zu leben, zu arbeiten, uns zu bilden und in die Gesellschaft integriert zu werden – und keine Almosen.

    Dass die Werkstätte ihren Mitarbeitern nur unzureichend dabei helfen, ihre berufliche Perspektive aufzubauen, das ist tatsächlich so, denke ich. Ich würde nicht kritisieren, dass die Werkstätte ihren Mitarbeitern suggerieren, dass sie auf den ersten Arbeitsmarkt vorbereitet würden, sondern viel mehr, dass das bei einer Suggestion bleibt und nicht in die Tat umgesetzt wird.

    Werkstätte sollen kein Selbstzweck sein und auch keine “Endstation” für die Betroffenen bedeuten, sondern eine wirksame Maßnahme zur weiteren Integration in die Gesellschaft.

    Eine existenzielle Frage lautet in diesem Zusammenhang (und ich kann mich hier im Forum auch nur wiederholen), in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Für mich sind Leistungen, auch Höchstleistungen, eine natürliche Folge gesunder und sich wohlfühlender Menschen und nicht das anzustrebende Ziel, das uns bei einer Über- oder Unterforderung krankmachen kann.

    Deswegen sollten wir meiner Meinung nach unseren Fokus deutlich mehr auf die Gesundheitsförderung und Integration setzen und nicht nur darauf, wie wir den ersten Arbeitsmarkt noch leistungstärker und wettbewerbsfähiger gestalten müssen.

    #197846

    Sehe das ebenso.

    Es ist wirklich die Frage, wie wir uns als Land ausrichten wollen und das eben auch tun( nicht tun).

    Lg

    #197865

    Das Sozialsystem ist eine finanzielle Absicherung für die Gesellschaft als Ganzes. Es ist daher meiner Überzeugung nach schlicht und einfach falsch zu sagen, dass kranke, alte, nicht arbeitsfähige usw. Menschen, die auf die Sozialleistungen angewiesen sind, dem Staat oder den Steuerzahlern etwas schulden würden.

    Man ist ja abgesichert, dafür muss man nicht in einer Werkstätte arbeiten.
    In unserem Land muss niemand auf der Straße leben und jeder bekommt in Form von Grundsicherung genug Geld, um nicht hungern zu müssen.
    Jetzt wird das Argument kommen, “von den paar Kröten kann doch keiner Leben”. Dem kann ich aus eigener Erfahrung nur Widersprechen.
    Ich sage nicht, das man mit Grundsicherung oder Hartz4 super leben kann, aber es ist zumindest genug, das man sich auch mal Kleinigkeiten gönnen kann.

    Eine Werkstätte oder ein 1€ Job sind aus meiner Sicht nette Boni.
    Man lernt eine Tagestruktur, ist unter Menschen und hat 160€ mehr im Monat zum Leben.

    Das Problem mit “Behinderten” ist übrigens, das diese einfach pauschal in einen Topf geworfen werden.
    Die meisten Regelungen werden sich ja auf körperlich Behinderte beziehen.
    Aus deinem ersten Link @Mowa Was fällt bei der Flagge auf?

    Körperlich Behinderten schafft man die Rahmenbedingungen (Rampen, Spezielle Tische, angepasste Toiletten,…) und danach können die ganz normal Arbeiten.
    Ein geistig Behinderter, der 3+3 nicht zusammenzählen kann, wird nie normal arbeiten können.
    Ich finde es ehrlich gesagt schon fast lächerlich das fordern zu wollen.

    Ferner leben wir in einem freien Land, niemand zwingt dich oder andere nicht arbeiten zu gehen @Mowa
    Mit einem Ehrenamt locker anfangen, dann evtl einen 1€ Job oder eine bezahlte Maßnahme und das über die Zeit langsam steigern.
    Und wenn es Jahre dauert, who cares.
    Der aus dem Video sollte ja auch in einer Werkstätte arbeiten und hat einen eigenen Weg gewählt.

    #197912

    Im Durchschnitt zahlt der Staat (Stand 2020) im Jahr 16.592 Euro pro beschäftigter Person an die Behindertenwerkstätten.

    Behindertenwerkstätten sind also eine Goldgrube. Es gibt deshalb immer mehr Werkstätten und immer mehr Beschäftigte. Laut UNO müssen Behindertenwerkstätten, auch in Deutschland, abgeschafft werden. Daran hat aber keiner ein Interesse. Das System läuft aus verschiedenen Gründen wie ein geöltes Zahnrad.

    • Diese Antwort wurde geändert vor 2 Jahre, 2 Monate von Kater.
    #197979

    Werkstätten waren mal dazu gedacht, Beschäftigte auf den 1. Arbeitsmarkt zu führen. Das wollen sie aber garnicht. Sie wollen die besten Mitarbeiter für sich behalten, weil sie auch wirtschaftlich sein müssen. Die besten Mitarbeiter halten so eine Werkstatt am laufen. Auftrag verfehlt.

    In Behindertenwerkstätten werden Behinderte isoliert. Werkstätten stehen der Inklusion (Einbeziehung von Behinderten in die Gesellschaft) entgegen.

    Sie sind genau das Gegenteil von Inklusion.

    #198146

    In unserem Land muss niemand auf der Straße leben und jeder bekommt in Form von Grundsicherung genug Geld, um nicht hungern zu müssen.

    Ferner leben wir in einem freien Land, niemand zwingt dich oder andere nicht arbeiten zu gehen

    Ich bin der Meinung PlanB, dass wir den betroffenen Menschen besser zuhören und mit ihnen kommunizieren müssen (z.B. die Beschäftigten in WfbMs, die Obdachlosen, die Hungernden usw. in Deutschland) wenn wir ihnen tatsächlich besser helfen wollen.

    Dazu ist es erforderlich, dass wir auch mal aus dem Leistungsdenken herausschlüpfen und versuchen, die Perspektive der Betroffenen zu verstehen und in die Hilfsmaßnahmen einzubeziehen.

    Ansonsten bleibt eben die Gefahr, dass die ganzen “Hilfsmaßnahmen” nicht mehr sind als ein Selbstzweck, um uns sagen zu können: Wir tun alles, was wir können. Wenn die Betroffenen die Hilfe nicht auf die “richtige” Art und Weise annehmen, wie wir sie vorgeben, dann sind sie selbst schuld! Sie könnten es ja, wollen es nur nicht, usw.

    Edit:
    Hilfe für Menschen, die auf das Sozialsystem angewiesen sind, das ist für die Gesellschaft als Ganzes eine Selbsthilfe, so wie ich das sehe und verstehe. Inklusion bedeutet im Kern auch Prävention und umgekehrt! Es geht um eine nachhaltige Zukunft von uns allen, also nicht nur für einzelne Menschengruppen, sondern für die menschliche Spezies und für die belebte Erde insgesamt.

    • Diese Antwort wurde geändert vor 2 Jahre, 2 Monate von Mowa.
    #198156

    Was ist denn mit unserer Spezies. Und was macht sie zu einer Behindertenunfreundlichen.. Art?

    Wie könnte man denn den in behindertdnwerkstätten arbeitenden dann die Hand reichen?

    #198324

    Hallo Yvonne,

    es sind ja nicht nur die Menschen, die in den WfbMs arbeiten, die von Behinderungen betroffen sind. Es sind auch nicht nur die Menschen, die amtlich anerkannten Schwerbehindertenstatus besitzen, die von Behinderungen betroffen sind.

    Wir können uns zuerst fragen, was ist überhaupt eine Behinderung? Der Wikipedia-Eintrag ist lang und fängt an mit

    Als Behinderung bezeichnet man eine dauerhafte und gravierende Beeinträchtigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe bzw. Teilnahme einer Person. Verursacht wird diese durch die Wechselwirkung ungünstiger sozialer oder anderer Umweltfaktoren (Barrieren) und solcher Eigenschaften der Betroffenen, welche die Überwindung der Barrieren erschweren oder unmöglich machen.[1]

    Und hier kann jeder von uns als Teilnehmer unseres Schizophrenie-Forums auch fragen, wie viel Beeinträchtigungen wir in unserem Alltag erleiden.

    Die Frage, wie wir uns gegenseitig besser die Hand reichen können bedeutet für mich, inwieweit Menschen anders handeln können als das Recht der Gewaltbereiteren sprechen zu lassen, wenn die Erde von Menschen dicht besiedelt ist und Menschen andere Menschen und Lebewesen töten um begrenzte Ressourcen für sich zu gewinnen.

    Solange es mehr als genug Menschen gibt, die in diesem kriegerischen und ausbeuterischen Kurs ihr Überleben sichern können, gibt es für mich kaum Hoffnung, dass die menschliche Welt weniger kriegerisch und ausbeuterisch wird.

    Daher denke ich, dass noch viel getötet und gelitten werden muss, bevor jeder von uns sich vor die ernste Entscheidung gestellt sieht und wir auch alle zusammen uns vor die ernste Entscheidung gestellt sehen, wie wir überleben wollen, können, müssen usw.

    LG,
    Mowa

    #201010

    Behindertenwerkstätten sind ein großer Wirtschaftsfaktor. Sie haben einen Umsatz von zirka 8 Milliarden Euro im Jahr. Der Staat hat also kein Interesse, Werkstätten abzuschaffen. Die Wirtschaft läßt in Werkstätten produzieren, sie sparen da viel Geld. Die Politik möchte, daß die Wirtschaft brummt, sie möchten Werkstätten auch nicht abschaffen. Die Bevölkerung denkt, Behinderte werden dort gefördert und lieb umsorgt, das will ich mal nicht weiter kommentieren.

    Keiner will Behindertenwerkstätten abschaffen, außer die UN- Behindertenkonvention. Das System hat sich verfestigt.

    #201012

    Ich habe eine recht positive Erfahrung mit WfbM gemacht. Ich habe dort 4 Wochen lang ein Praktikum absolviert.

    Die Arbeitszeit war von 7 bis 15 Uhr, natürlich mit der Möglichkeit kürzer zu arbeiten, Freitags bis 12 Uhr.

    Es waren reichlich Erholungspausen eingestreut mit sanftem Druck der Anleiterin nicht zu häufig oder zu lange Pause zu machen.

    Es war eine angenehme Atomsphäre, sowohl beim Arbeiten als auch mit den anderen Menschen. Es waren hauptsächlich Menschen mit psychischer Erkrankung dort beschäftigt.

    Im Gegensatz zum ersten Arbeitsmarkt hatte ich hier einfach keinen großen Druck verspürt. Es war okay das zu schaffen, wozu man in der Lage ist, was auch krank sein beinhaltet. Auf persönliche Bedürfnisse konnte hier Rücksicht genommen werden.

    Es gab ein kleines Frühstück mit gesponsorten Brötchen vom Bäcker, welche nicht mehr verkauft werden konnten und ein kleines Mittagessen.

    Die Arbeit war nicht sonderlich anspruchsvoll oder fordernd, manchmal etwas eintönig, aber hatte ihren kleinen Sinn.

    Ich hatte dort sehr angenehme vier Wochen verbracht.

    Es war für mich immer eine Perspektive bzw. Option dort wieder hin zurückkehren zu können, sollte der erste Arbeitsmarkt mich überfordern. Das war sehr angenehm zu wissen.

    Über die Bezahlung weiß ich nichts genaues, ich hatte gerechnet mit dem Grundbedarf plus die Verpflegung, Fahrtkosten und vielleicht den Satz für Mehrbedarf im Monat. Das wäre für mich okay gewesen.

    Es stimmt: Einige waren schon länger da und fanden auf dem regulären Arbeitsmarkt keine Stelle mehr. Ich schätze den Schritt von der Werkstatt zurück ins Berufleben, falls es denn wieder möglich ist, auch als sehr schwierig ein, jedoch eher ausgehend von der Arbeitgeberseite. Ein Praktikum oder der Umweg über eine berufliche Reha mit Ausbildung wäre hier vielleicht eine Möglichkeit.

    Eine Alternative wäre für mich ein 450€ Job plus Sozialleistung gewesen, allerdings habe ich gemerkt, dass mir ein täglicher Rhythmus gesundheitlich besser tut. Zudem hätte ich in der Werkstatt bessere Betreuung gehabt.

    Bei einem reinen Ehrenamt hätte ich weniger Geld zur Verfügung.

    Aufgrund dieser Erfahrung bin ich pro Werkstatt. Kenne jedoch nur diese eine.

     


    Waypoint reached … Autopilot disabled

    • Diese Antwort wurde geändert vor 2 Jahre, 2 Monate von rebus.
    #201059

    Eine existenzielle Frage lautet in diesem Zusammenhang (und ich kann mich hier im Forum auch nur wiederholen), in was für einer Gesellschaft wir leben wollen.

    Menschen, welche an ihre Grenzen gegangen sind und das scheinbar unmögliche geschafft haben und trotz aller Widrigkeiten “ihr Ding” durchezogen haben und so ganze Generationen beeinflusst und inspiriert haben, bringen seit Uhrzeiten die Menschheit voran.
    Und genau deswegen ist der Mensch ein “Erfolgsorientiertes” Wesen.
    Besonders erfolgreiche Menschen inspirieren und schaffen so Raum für Entwicklung,

    Um die Frage zu beantworten:
    Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der oben beschriebene Menschen nicht mehr für ihre Leistungen belohnt werden.
    Und ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, in der alle das gleiche bekommen nur weil das “Gerecht” sei.

    Nach Leistung entlohnt zu werden finde ich im Übrigen nicht verwerflich.
    Wenn jemand Jahre in Studium und Fortbildung investiert hat, dann soll derjenige natürlich am Ende mehr Lohn bekommen.
    Jemand hatte in der Schule keinen Bock und Party war wichtiger? Dann ist halt unter Umständen Hartz4 angesagt, c’est la vie (no offence)

    Da Firmen untereinander im Konkurenzkampf stehen, kann man oben genanntes auch auf Firmen anwenden:
    Wenn eine Firma fähige Leute einstellt, dafür sorgt das diese motiviert sind und möglichst viel ihres Potentials abrufen können, dann ist dies ein Grundbaustein (neben anderen), damit die Firma erfolgreich ist.
    Wenn eine Firma genug Geld abwirft damit die Mitarbeiter bezahlt und nach Abzug aller Nebenkosten noch was übrig ist für Investitionen, dann kann eine Firma auch auf längere Sicht bestehen.

    Somit müssen bzw sollten Firmen Gewinnoreintiert unterwegs sein.
    Kennt man ja selber:
    Es ist immer gut, wenn man noch etws übrig hat, das man für größere Ausgaben auf die hohe Kante legen kann.

    Dazu ist es erforderlich, dass wir auch mal aus dem Leistungsdenken herausschlüpfen und versuchen, die Perspektive der Betroffenen zu verstehen und in die Hilfsmaßnahmen einzubeziehen.

    Das mag man als Betroffener nicht so toll finden, aber es gibt einfach nicht genug Arbeitsplätze um alle, die eigentlich gar nicht Arbeitsfähig sind, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu bespaßen.
    Also im Grunde Konkurieren “die Betroffenen” ja mit den Unqualifizierten (siehe Party während der Schulzeit Beispiel).
    Für beide sind nicht genug Jobs da.

    #201078

    Menschen, welche an ihre Grenzen gegangen sind und das scheinbar unmögliche geschafft haben und trotz aller Widrigkeiten „ihr Ding“ durchezogen haben und so ganze Generationen beeinflusst und inspiriert haben, bringen seit Uhrzeiten die Menschheit voran.

    Es ist dabei auch zu berücksichtigen @PlanB, dass es keine singulären Helden sind, die menschliche Fortschritte prägen. Fortschritte sind immer auch als Ergebnis der Zusammenarbeit von unzähligen Menschen zu verstehen, deren Verdienst meistens undokumentiert und unentlohnt bleibt.

    Dann ist auch die Frage, was ist überhaupt Fortschritt? Die Frage habe ich mir neulich in einem anderen Thread bereits gestellt:

    Vielleicht ist die Frage, was Fortschritt überhaupt bedeutet, für mich nicht so offensichtlich. Z.B. sollte ja technologischer Fortschritt auch von moralischem Fortschritt begleitet werden.

    Nach Leistung entlohnt zu werden finde ich im Übrigen nicht verwerflich.

    Ich habe auch nicht geschrieben, dass ich das grundsätzlich verwerflich finden würde, auch wenn ich mich schon frage, wie Leistung definiert und gemessen werden soll z.B. bei geistiger und kreativer Leistung.

    Übrigens ist das Leistungsprinzip und das Prinzip der Bestenauslese im Grundgesetz verankert: Artikel 33 GG.

    Ob in diesem Zusammenhang Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen (auch eine bloße Psychotherapieerfahrung ohne psychiatrische Diagnose) von der Verbeamtung ausgeschlossen werden dürfen, das ist ein weiterer Aspekt.

    Was ich neulich in einem anderen Thread geschrieben hatte:

    Mir ist wichtig, dass Betroffene mit (Schwer-)Behinderung überhaupt am gesellschaftlichen und beruflichen Leben beteiligt werden und nicht, dass sie trotz geringerer Eignung und/oder geringerer Leistung den vollen Arbeitslohn erhalten.

    Für beide sind nicht genug Jobs da.

    Es ist auch hilfreich, das Gesamtbild im Blick zu behalten. Wenn wir uns auf die Kosten-Nutzen-Rechnung fokussieren, dann sollten wir schon das gesamte Menschenleben berücksichtigen, auch generationsübergreifend.

    Welche Kosten fallen heute an, wenn ein Mensch im Laufe seiner Ausbildung oder seines (oft ja jungen) Berufslebens dauerhaft psychisch krank wird?

    Es gibt ein sehr schönes Buch von Prof. Nicolas Rüsch: “Das Stigma psychischer Erkrankung – Strategien gegen Ausgrenzung und Diskriminierung”.

    Im Kapitel 2.2.4. “Kosten psychischer Erkrankungen” geht er genau auf das Thema ein:

    (…)
    Die OECD schätzte die Kosten psychischer Erkrankungen für europäische Länder in 2015 [49]. Danach lagen die Gesamtkosten in Deutschland bei knapp 150 Milliarden Euro. Davon entfiel knapp ein Drittel auf direkte Kosten im Behandlungssystem (Arztbesuche, Kliniken, Medikamente u. Ä.), ein weiteres knappes Drittel auf Sozialausgaben (Krankengeld, Erwerbsminderungsrente, Arbeitslosengeld) und mehr als 40 % auf den Arbeitsmarkt durch Verluste von Einkommen und Produktivität. Letztere sinkt, wenn Menschen weniger bei der Arbeit anwesend sind (Absentismus) oder wenn sie körperlich anwesend sind, aber weniger gut arbeiten können (Präsentismus). Die Gesamtkosten entsprechen in Deutschland 4,8 % des Bruttosozialprodukts und liegen damit höher als im EU-Durchschnitt (4,1 %), in Österreich (4,3 %) und der Schweiz (3,5 %). Die Kosten psychischer Erkrankungen lassen sich auch dadurch schätzen, wie viel Menschen durchschnittlich zu zahlen bereit wären, um ihr Krankheitsrisiko zu verringern. Die so geschätzten Kosten liegen etwas höher als die von Herz-Kreislauf- und bei mehr als dem Dreifachen der durch Krebserkrankungen verursachten Kosten [50].
    (…)

    und

    (…)
    Dass die politische Antwort weitgehend ausbleibt, ist auch deshalb grotesk, weil mehr Ressourcen für bessere Versorgung etwa von Angst und Depression sich ökonomisch lohnen (ganz abgesehen vom immateriellen Wert der Gesundheit an sich). Der Return on Investment in Form erhöhter Arbeitsproduktivität beträgt das Zwei- bis Dreifache der Behandlungskosten [51]. Auch Prävention würde sich auszahlen, findet aber kaum statt [52]. All dies ist nicht nur ökonomisch töricht, sondern bedeutet angesichts des vermeidbaren Leides Einzelner, ihrer Familien und ihres sozialen Umfelds auch eine strukturelle Diskriminierung einer großen Bevölkerungsgruppe (› Kap. 5.1.8).
    (…)

    usw.

    Wichtig ist die Betrachtung des Kosten-Nutzen-Aspektes im Gesamtbild meiner Meinung nach, und nicht nur, wie viele Jobs der Arbeitsmarkt bietet (sicher genug für qualifizierte Fachkräfte).

    Auf das Buch von Prof. Rüsch möchte ich in einem frischen Thread im Unterforum “Forschung” eingehen, weil ich denke, dass die Informationen, die im Buch enthalten sind, für uns als Schizophreniebetroffene sehr wichtig sind, z.B. das Konzept des “Supported Employment”:

    7.1.2: Menschen ohne Arbeit
    (…)
    Supported Employment
    Es gibt grundsätzlich zwei Wege, um Menschen mit psychischen Erkrankungen wieder in Arbeit zu bringen, wenn sie das möchten: Der traditionelle und in Deutschland vorherrschende Weg des Erst trainieren, dann platzieren oder der neuere Ansatz des Erst platzieren, dann trainieren, der auch Supported Employment genannt wird. Traditionelle Arbeitsrehabilitation besteht darin, dass Teilnehmer erst Fertigkeiten üben (z. B. an einem PC-Arbeitsplatz) und anschließend ein begleitetes Praktikum in einem Betrieb absolvieren. Diese Rehabilitation kann Monate oder ein Jahr dauern, ist aber zeitlich begrenzt. Oft findet sie in sog. Rehabilitationseinrichtungen für psychisch kranke Menschen stationär und weit entfernt vom Wohnort der Teilnehmer statt. Nach dem Ende der Maßnahme sind die Teilnehmer auf sich allein gestellt. Supported Employment geht den umgekehrten Weg. Teilnehmer, die arbeiten wollen, werden von sog. Job Coaches direkt in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Der Job Coach unterstützt Teilnehmer bei der Bewerbung und anschließend langfristig am Arbeitsplatz. Auch der Arbeitgeber kann beraten werden. Kein Teilnehmer, der arbeiten will, wird abgewiesen. Die Wünsche des Teilnehmers in Bezug auf die Art der Arbeit und auch auf den Grad der Offenlegung am künftigen Arbeitsplatz werden berücksichtigt. Die berufliche Förderung durch Job Coaches und die Behandlung, z. B. durch gemeindepsychiatrische Teams, findet integriert und vor Ort statt. Eine klar definierte Version von Supported Employment ist Individual Placement and Support (IPS›?Glossar).
    (…)

    Es klingt auf jeden Fall nach einem sehr hilfreichen und mutmachenden Konzept!

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