Geduld üben und Kontrolle abgeben

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  • Dieses Thema hat 20 Antworten und 7 Teilnehmer, und wurde zuletzt aktualisiert vor 4 Jahre, 8 Monate von Anonym.
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  • #54734
    Anonym

      Ich bin so wahnsinnig ungeduldig. Fälle zu schnell Urteile und bin leider dann unzufrieden. Außerdem kann ich es nicht lassen Kontrolle auszuüben. Oder aufhören Dinge kontrollieren zu wollen die nicht kontrollierbar sind. Damit mach ich mich ganz schön unglücklich.

      Das Schema hat sich leider schon seit vier Jahren eingeschlichen. Ich versuche andere Menschen zu kontrollieren/ manipulieren. Dabei ist das nicht möglich. Im Gegenteil es wird schlimmer je mehr ich es versuche. Und je mehr der andere Widerstand leistet um so mehr will ich kontrollieren. Es ist wie verhext. Damit macht man sich nur unglücklich. Aber das schlimme ist dabei dass ich das Gefühl habe mich selbst nicht kontrollieren zu können. Dabei müsste ich das können. Selbstkontrolle. Irgendwie komisch. Ich muss mich auch ständig selbst  beobachten. Das nervt und erschöpft mich. Ich möchte einfach nur zufrieden sein und die unsichere Welt ertragen können. Angstfrei wird nicht gehen. Allerdings übertreibe ich es immer. Und dann werde ich ungeduldig mit mir. Statt mir zu sagen, ja du brauchst die Sicherheit. Und das ist okay.

      #54741
      Anonym

        Hallo @ladybird,

        Dein Kontrollbedürfnis würde ich nicht Kontrollzwang nennen sondern tatsächlich eher als ein Bedürfnis bezeichnen, dass die Dinge nicht außer Kontrolle geraten. Ich glaube nicht, dass Du da etwas gegen tun musst, sondern würde eher sagen, dass Du lernen solltest, es als etwas Positives zu sehen. Es ist ein Teil dessen, was Verantwortung für sich selbst bedeutet.

        Wenn Du das Gefühl hast, Deiner Verantwortung für Dich selbst, Deine Tochter oder Deinen Lebensumständen nicht gerecht werden zu können, oder wenn existenzielle Schwierigkeiten auftauchen, dann halte ich es für ganz normal, dass Du das Bedürfnis nach Kontrolle hast, jedenfalls scheint mir das nach der Lektüre Deines Blogs so.

        Kontrollverlust in einer schwierigen Situation ist auch immer mit Angst verbunden. Mit dieser Angst gehst Du meiner Ansicht nach positiv um, wenn Du Dich mehr konzentrierst, um die Situation unter Kontrolle zu behalten.

        Kontrolle an jemand anderen abgeben, das kann man nur, wenn man zu dem anderen Menschen auch das Vertrauen hat, dass er mit der Verantwortung klar kommt und dass er die Macht, die man ihm dadurch über das eigene Leben gibt, nicht missbraucht. Deshalb ist das mit dem Abgeben der Kontrolle schwierig. Das ist vor allem eine Frage des Vertrauens. In einer Beziehung, in der ich der Partnerin vertraue, kann ich sehr gut Kontrolle abgeben und finde das sogar gut. Aber wenn ich der Partnerin nicht vertraue, dann ist es unmöglich für mich, die Kontrolle abzugeben. Dabei würde ich in Panik geraten. Wenn ich jemandem nicht vertraue, dann habe ich selbst eher ein Kontrollbedürfnis.

        Vielleicht hilft in vielen Fällen tatsächlich mehr Gelassenheit. Wenn Du umziehst, und dann sagst, dass Du jetzt eine komplett neue Küche brauchst, dann setzt Du Dich damit auch selbst unter Druck und hast dann auch Angst, dass die Situation vielleicht außer Kontrolle gerät. Das “Außer-Kontrolle-geraten” kennen wir ja nun mal alle sehr gut aus der Psychose. Das ist ein Zustand, den wir alle nicht wieder herbeisehnen. Deshalb ist es gut und richtig, ein wenig Kontrollbedürfnis zu haben.

        Das sollte man aber natürlich auch nicht übertreiben. Ich kann es mittlerweile sehr gut ab, die Kontrolle abzugeben, aber nur an Menschen, denen ich vertraue. Ich kann auch gelassen sein, wenn ich weiß, dass ich selbst die Situation unter Kontrolle habe. Dann kann ich auch sehr geduldig sein. Manchmal braucht man eine Situation auch gar nicht unter Kontrolle zu haben, wenn man einfach wartet, wie die Dinge sich entwickeln, um dann einzugreifen, wenn eigenes Handeln gefragt ist. Also, dann kann man auch geduldig sein.

        Viele Grüße

        Grenfell

        #54758
        Anonym

          Danke @Grenfell für deine Ausführungen.  Ich habe mich ja auch mit einem Mitpatienten austauschen können. Er kontrolliert auch vieles. Autotür verschlossen? alles Sachen dabei?  Alles ausgemacht? Und noch mal von vorn. Das hab ich auch. Und dann zweifle ich an mir selbst, ob ich das auch wirklich alles gemacht hab und nicht doch im Tran wieder den Herd angemacht habe. Und kontrolliere von vorn.

          Ich habe auch nicht das Gefühl dass ich mich selbst kontrollieren kann. Weil und jetzt kommt’s. Die Pillen mich „glücklich“ machen. Ist das nicht paradox. Ich habe ja nun schon einige Therapieerfahrungen machen dürfen. Auch der Umgang mit Depressionen. Sport, unter Leute  sein, Gespräche usw. Sport half nur bedingt, unter Leute sein war mit Unsicherheit verbunden, Gespräche waren nicht lindernd usw. und jetzt, Nimmt man eine andere Pille und schwups geht es besser?! Irgendwie passt das nicht in mein Weltbild. Und ich habe das Gefühl Kontrolle verloren zu haben. Als wär ich für mein Glück nicht selbst verantwortlich. Sondern meine Hirnchemie. All die Kraft die ich die letzten Jahre aufgewendet hab ist irgendwie verpufft. Aber ums mal positiv zu sehen, vielleicht ist es auch das Resultat harter Arbeit. Das letzte mal ist die Reduktion von Ola voll in die Hose gegangen. Wir wollten umstellen auf Abilify Monotherapie. Jetzt bin ich vielleicht so weit. Und bin stark genug. Wer weiß.

          #54762
          Anonym

            Hallo @ladybird, das ist gut, wenn Du Dich mit einem Mitpatienten austauschen kannst, dem es ähnlich geht wie Dir.

            Manchmal habe ich auch so Phasen, wo ich unkonzentriert bin. Dann muss ich auch aufpassen und kontrollieren. Oder wenn ich bei einem Kunden war. Wie oft habe ich schon meine Brille beim Kunden vergessen! Da kontrolliere ich dann auch, wenn ich gehe, ganz genau, ob ich alles dabei habe. Man ist dann vielleicht unkonzentriert, es gibt irgendein Gespräch, man ist abgelenkt, und schwupps, hat man wieder die Hälfte vergessen. Also, da ist dann manchmal ein Mal zu viel kontrollieren besser.

            Die Sache mit den Pillen ist ja Folgende, wie ich herausgefunden habe: Wichtig ist nicht die Gehirnchemie, die die verändern. Das kann einem als Patienten sogar ziemlich egal sein. Wichtig ist, was sie für eine Wirkung auf Dich haben. Also, Neuroleptika generell machen, dass man weniger Angst hat, dadurch, dass man sich selbst distanzierter gegenüber steht und seinen Wahrnehmungen und Gefühlen. Sie packen einen in Watte, sozusagen. Wie Antidepressiva so wirken, das kann ich aus eigener Erfahrung nicht sagen. Jedenfalls erzeugen die Neuroleptika, dass man seine eigenen Gefühle, Probleme und Gedanken weniger stark wahrnimmt. Das bedeutet ja nicht, dass sie gar nicht mehr da sind, sondern im Idealfall belasten sie einen nur nicht so stark. Das hat natürlich auch den Nebeneffekt, dass man sie viel leichter “wegdrücken” kann und sie einem total egal werden können. Das wäre jetzt echt nicht so gut. Wichtig ist für mich: Die Gefühle sind schwächer, aber sie sind noch da. Das bedeutet, dass ich einfach besser und achtsamer drauf achten muss, was mit mir gerade los ist, wenn mich das gerade interessiert. Und dann kann ich mich eben auch wieder kontrollieren und meine Lebenssituation.

            Man kommt ja oft in eine Wohnung von einem Psychosekranken und die Wohnung ist total verkommen, überall liegen Zigaretten- oder Tabakpackungen rum, oft übervolle Aschenbecher, das Geschirr ist nicht sauber, die Mülleimer laufen über, und der Gesamtzustand der Wohnung sowie der Pflegezustand des Menschen ist entsprechend. Da kann man bewusst etwas dran machen, macht auch jeder Normale etwas bewusst dran, dass er sich und seine Wohnung sauber hält. Aber einem Psychosekranken sind diese Dinge oft nicht mehr wichtig, auch wegen der Medikamente, aber natürlich nicht nur. Aber trotzdem ist er natürlich selbst verantwortlich dafür, wer denn sonst. Er ist durchaus in der Lage, sich eine Struktur zu erarbeiten, in der er diesen Zustand verbessern kann. Auch kann er sich bewegen. Man muss nicht nur auf dem Sofa und vor dem Computer oder Fernseher sitzen und Serien schauen. Die Kontrolle und Verantwortung über das eigene Leben hat jeder, und kein Medikament kann dafür sorgen, dass man die wieder bekommt. Ganz im Gegenteil, die Neuroleptika sorgen dafür, dass einem die eigene Lage und die Probleme nicht so nahe gehen also auch der Leidensdruck nicht so groß ist. Man hofft dann, dass man sie so besser lösen kann, aber der Schuss kann auch nach hinten losgehen, dass sie einem nämlich egal werden. Aber die Verantwortung hat man selbst fǘr sein Leben, und da ist mir Dein Kontrollbedürfnis tausendmal lieber als wenn jemand alles schleifen lässt und es ihm egal ist.

            Wobei ich, der Vollständigkeit halber, sagen muss, dass es bei mir früher auch wie bei dem Psychosekranken ausgesehen hat, aber seitdem ich weniger Medikamente nehme, kriege ich all diese Sachen schon ziemlich gut auf die Reihe. Ich spreche da also aus eigener Erfahrung.

            Viele Grüße

            Grenfell

             

             

            #54884
            Anonym

              Danke @Grenfell dass du das mit mir teilst.

              Schön dass du das auf die Reihe bekommen hast. Und die weniger Medikamente haben einen neuen Menschen aus Dir gemacht? Ich hoffe und wünsche mir ja auch dass ich in meinem neuen „ Zustand“ mehr auf die Reihe bekomme.

              #54956

              Mein Bedürfnis Dinge zu kontrollieren hat durch die Neuroleptika stark abgenommen. Wenn du wirklich einen Kontrollzwang hast kannst du dazu ja auch mal Bücher lesen. Allerdings habe ich auch Angst zu nachlässig geworden zu sein. Den richtigen Mittelweg zu finden ist da gar nicht so einfach. Im Moment versuche ich es bei ein Mal nachgucken zu belassen, was dann als nicht zwanghaft gilt.

              #54965

              Ich versuchte mich da auch zu verändern von einer kontrollierenden Person zu einer responsiven/antwortenden.
              Wenn man sich ansprechen/-rühren lassen will, ist es echt wichtig, dass man nicht den Daumen auf den Draht hält, sonst kommt keine Schwingung zustande, habe ich festgestellt.
              Vielleicht kannst Du auch mal ein wenig warten @ladybird und dann erst reagieren auf das, was Dich erreichen will und natürlich nur, wenn es Dich reizt/interessiert.
              Also schon die Lauscher auf Empfang schalten und Deine aktive Stimme aber zunächst auf Bereitschaft. Wenn sich dann ein klingendes Zwiegespräch anzubahnen scheint zwischen Dir und Dingen, Natur, Familie, Sport, Menschen, Musik, Film, Kunst, Religion etc., dann kannst Du Dich einschalten und vielleicht eine anverwandelnde Beziehung eingehen.
              Erzwingen kann man das wirklich gar nicht – Geduld hilft dagegen sehr.

              #54986
              Anonym

                Hey @Dopplereffekt Ich kam mir bis zu meiner Psychose relativ normal vor. Bis auf den Tic/Zwang. Der hat während der NL Einnahme komplett nachgelassen. Im Moment isses Bisschen viel und er ist wieder da. Aber ich leide nicht, wir kennen uns gut. Das kontrollieren und die Angst ist neu. Ich habe Weihnachten rum angefangen immer zu denken ich hätte die Kerzen nicht ausgemacht. Heilig Abend habe ich mich echt vier Stunden gequält und beruhigt, gequält und beruhigt. Der Abend war kein Genuss. Jetzt ist es die Kaffeemaschine, die Ursache allen Übels. Heute war es der Aschenbecher. Bin nicht zurück gelaufen, habe nicht kontrolliert. Hatte viel Angst und Schuldgefühle. In meiner Vorstellung brennt ja das ganze Viertel immer lichterloh. Aber hab’s ausgehalten :-)

                #54988
                Anonym

                  Hi @yuri, ich Geduld kann man hoffentlich üben :-)

                  #54993

                  Der Trick um den Zwang loszuwerden soll sein, ihm nicht nachzugehen bzw. eben nur einmal nachzugucken. Dann muss man es aushalten nicht nochmal nachzusehen. Beim Licht ausschalten finde ich das noch recht einfach. Bei Dingen, wo wirklich etwas passieren könnte finde ich es schwieriger.

                  Mir ist es letztens passiert, dass ich ein paar Stunden lang dachte die Balkontür sei vielleicht doch nicht zu. Da war ich gerade unterwegs und wollte dafür nicht umkehren. Am Ende als ich dann wieder zu Hause war, war sie doch zu.

                  Im Vergleich zu einer Psychose ist ein bisschen Zwanghaftigkeit allerdings nicht so schlimm, finde ich.

                  #55002

                  Geduld kann man hoffentlich üben

                  Ja, ich glaub, Geduld hat was mit Ausharren/-halten zu tun und da kann man immer beständiger/gelassener werden mit der Zeit – wenn man dann sieht, wie einem vieles von alleine entgegenkommt. :)

                  • Diese Antwort wurde geändert vor 4 Jahre, 8 Monate von Yuri.
                  #55071
                  Anonym

                    Hallo @ladybird,

                    das mit der Kaffeemaschine kann man ändern. Ich habe eine, die sich selbständig ausschaltet, wenn der Kaffee durchgelaufen ist. Echt cool, das Teil. Von Melitta, eine Melitta Look mit Thermoskanne. Habe ich mir gerade erst gekauft. :-)

                    Viele Grüße

                    Grenfell

                    #55077
                    Anonym

                      Denkst du denn, das Problem liegt mehr an deiner Hektik und einem Trieb/Drang, oder daran, dass du dabei zu leichtfertig Grenzen überschreitest?

                      Geduld kann man üben, einfach immer mal kleine Pausen zulassen, vor allem statt eingreifen erstmal beobachten, einmal durchatmen, oder mal einfach warten, was als nächstes Passiert. Kontrolle muss man nicht abgeben, wenn man einfach immer erstmal die Lage beobachtet, kann man ja immer noch auf alles reagieren.

                      Das Kontrollieren von Licht, Herd, Fenster usw. hatte ich auch, das ist was anderes glaube ich. Habe ich, wenn bei mir geistig viel los ist, oder zerschossen von Psychose… Mir half, mir immer einen speziellen Moment rauszusuchen, wo ich besonders gründlich und bewusst alles kontrolliere. Also so Zeitpunkte wie kurz vor Verlassen der Wohnung, vor dem Zubettgehen, …

                      #55098
                      Anonym

                        Hallo @Hirnsehprogramm,

                        mein Problem ist tatsächlich dass ich wirklich oft Dinge vergesse, verlege oder wegwerfe. Die nützlich und wichtig sind. Ich bin dann so zerstreut und hektisch dass ich Fehler mache.

                        Wenn ich den Herd kontrolliere dann denk ich ne Stunde später, Mensch nicht dass du den im Tran wieder angemacht hast. Und dann denk ich mir immer oh Gott, du bist so schusselig dass dir das passiert sein könnte und werde total unsicher.

                        @Grenfell mein Freund besitzt so ein Ding. Wenn wir dann zusammen gezogen sind, Dann gehört dann dieser Kontrollzwang der Vergangenheit an.  B-)

                        #55125

                        Liebe Ladybird, das mit dem Kontrollzwang von Herd etc. erkläre ich mir in manchen Fällen auch so, das man sich selbst nicht richtig vertraut. Wie du es auch beschreibst.

                        Man glaubt an die eigene Schusslichkeit und kontrolliert so sich selbst x-mal. Hat wohl auch was mit Selbstvertrauen oder einem Vertrauen in das eigene Handeln zu tun. Das war ja bei mir auch gestört in der Psychose – da hat z.B. das essen das Rauchen angefangen, weil ich es auf dem Herd vergas..Man konnte sich nichtmehr auf das eigene Handeln verlassen – es war eben außer Kontrolle.

                        Mit Ofen und Fenstern etc. habe ich zwar keinen Zwang entwickelt, aber mir fällt in der Arbeit auf das ich gerne meine Zeichnungen sehr oft kontrolliere, bevor ich sie in die Fertigung gebe. Teilweise kontrolliere ich fast jeden Arbeitsschritt mehrmals. Das verbraucht natürlich Zeit. Aber ich habe nicht ausreichend Vertrauen in mein Tun, habe immer die Befürchtung eines Fehlers. Ich weiß, dass ich es meist gut hinbekomme – trotzdem fehlt mir oft das Selbstvertrauen wenn ich etwas kompliziertere Aufgaben bekomme. Das erscheint mir dann meist als viel Größeres Problem, als es eigentlich ist.

                        Also ich denke es hat was mit der Beziehung zu sich selbst zu tun.

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