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15/10/2019 um 23:42 Uhr #63732
Hi zusammen :bye:
wer von euch arbeitet im ersten Arbeitsmarkt und wie geht ihr mit eurer Diagnose am Arbeitsplatz um? Weiß euer/e Arbeitgeber/in von eurer Diagnose oder habt ihr nichts gesagt?
Freue mich über Austausch
Lieben Gruß
- Dieses Thema wurde geändert vor 5 Jahren von wunder.
16/10/2019 um 0:02 Uhr #63735Ich arbeite auf dem ersten Arbeitsmarkt, in einer Behörde um genau zu sein. Da musste ich bei der Personalabteilung schon Butter bei die Fische tun, also über meine Krankheit erzählen, da ich ohne Krankschreibung lange gefehlt hatte. Habe dann aber einen „Freispruch“ bekommen, da ich ja nun mal Psychose hatte. Meine Chefin und Kollegen wissen nicht Bescheid. Keine Ahnung was die denken, was ich hatte. Vielleicht ahnt meine Chefin etwas, da ich jetzt auch einen Schwerbehindertenausweis habe. Mit der Arbeit komme ich soweit klar, kann mich aber nicht mehr so einbringen wie früher, da meine kognitiven Fähigkeiten nicht mehr so top sind.
16/10/2019 um 0:09 Uhr #63737Wie alt bist du denn, wenn du sagst “früher”? Und würdest du sagen die kognitiven Einbußen kommen durch die Medikation oder ist das einfach altersbedingt?
16/10/2019 um 0:13 Uhr #63738Mit früher meine ich vor der Psychose, die jetzt ca. fünf Jahre her ist. Die kognitiven Einschränkungen schiebe ich auf die Negativsymptomatik, nicht auf die Medikamente. Ich hatte mal abgesetzt und da war es auch nicht besser.
16/10/2019 um 5:39 Uhr #63744Guten Morgen zusammen,
auch ich arbeite auf dem ersten Arbeitsmarkt. Den jetzigen Job habe etwa 1 Jahr nach meiner Ersterkrankung bekommen, das war vor gut 8 Jahren. Mein Chef ist auch mein Diplomvater, und zu ihm hatte ich nach der Diplomarbeit immer wieder Kontakt. Im Sommer 2011 habe ich ihm dann geschrieben, dass ich eine Psychose hatte und ob er mir einen Job anbieten könnte. Daraufhin hatten wir ein informelles, lockeres Gespräch, und er bot mir diesen Job an: “Wir suchen jemanden für unsere Computer”. Dabei hatte ich praktisch keine Ahnung von Rechnern, damals viel weniger als jetzt. Auch das hat mein Chef gewusst.
Bis Ende 2016 habe ich am alten Standort gearbeitet, und seitdem arbeite ich am neuen Standort und mache alle 2 Wochen Dienstreisen zum alten Standort. Zu meinen langjährigeren Kollegen am alten Standort war ich von vornherein offen mit meiner Erkrankung, was dort positiv und genauso offen aufgenommen wurde. In diesen Jahren wurde ich dauerhaft mit 15 mg Aripiprazol behandelt, und ich war stabil. Es gab natürlich auch Kollegen, denen ich nichts über meine Erkrankung erzählt hatte (dann wahrscheinlich eher mangels Gelegenheiten), und ihnen war ich nicht sonderlich aufgefallen.
Bei den Kollegen am neuen Standort ist die Situation etwas anders, da ich mich von der Dauermedikation mit 15 mg Aripiprazol verabschiedet hatte und meine psychische Verfassung wieder Hochs und Tiefs hatte, anstatt stabil und eintönig. Kaum war ich 2017 umgezogen und hatte meine Arbeit am neuen Standort aufgenommen, wurde ich im Sommer für fast 1 Jahr krankgeschrieben. Während dieser Zeit hatte ich auch meinen ersten Rückfall. Dann hatte ich dieses Jahr im April/Mai meinen zweiten Rückfall, wobei ich nur 3 Wochen in der Klinik war und meine Abwesenheit auf der Arbeit nicht länger aufgefallen war, da ich sonst Urlaub gehabt hätte.
Einigen meiner neuen Kollegen hatte ich auch von Anfang an über meine Erkrankung erzählt, aber die meisten wussten das am Anfng nicht. Bevor ich die Gelegenheit hatte, ihnen es selbst zu erzählen, hatte ich meine Rückfälle, so dass die meisten inzwischen wissen, dass ich psychisch krank bin. Ich war auch teilweise akut auf der Arbeit, habe erstaunlicherweise viele Aufgaben normal bewältigt, nur habe ich leider durch meinen Wahn und meine Manie auch einige Scherben hinterlassen. Nach den Rückfällen ist es immer mühsam, diese Scherben wieder aufzuräumen und meine Arbeit wieder ins Lot zu bringen…
Was die neuen Kollegen über mich als psychisch Kranke denken, das ist wohl geteilt. Von einigen Kollegen, die selbst von Depressionen oder Burnout betroffen sind, habe ich positive Rückmeldungen über meine Offenheit bekommen. Einige Kollegen, die offenbar sehr fit sind und auch keine Berührungen mit psychischen Erkrankungen in ihrem persönlichen Umfeld hatten, gab es wohl immer wieder uneinfühlsame und verständnislose Bemerkungen, nicht nur über mich sondern allgemein über psychisch Kranke. Das hat aber auch etwas damit zu tun, wie wir miteinander umgehen und entwickeln. Wenn die reservierten Kollegen sehen, dass ich stabil und normal arbeiten kann und nicht nur krank und abwesend bin, dann hat das sicher auch positive Auswirkungen auf unsere Beziehungen zueinander.
Ja, das alles ginge natürlich nicht ohne die wohlwollende Unterstützung von meinem Chef. Ich arbeite im öffentlichen Dienst an einer Forschungseinrichtung, und mein Chef hat meinen Vertrag 1 Jahr nach der Einstellung entfristet. Seit Juli 2018 habe ich auch eine Niederlassungserlaubnis (unbefristeter Aufenthaltstitel, da ich aus Japan komme) und seit November 2018 einen Schwerbehindertenausweis mit GdB 50. Das sind weitere Faktoren, die meine Lebenslage erleichtern und stabilisieren.
LG,
Mowa16/10/2019 um 6:52 Uhr #63748Ich arbeite als Doktorand an einem Universitäts Institut.
Mein Arbeitgeber weiß nichts von meiner Erkrankung.
Ich habe damals im April 2015 die Medikamente bekommen und im Juni 2015 war mein Vorstellungsgespräch.
Ich habe dann im Oktober 2015 angefangen weil ich ihnen gesagt habe dass ich noch etwas Zeit für den Umzug meiner Eltern haben wollte.
Die ersten 2 Jahre waren richtig hart, da ich gar nichts verstanden habe und die meiste Zeit nur untätig am Schreibtisch gesessen bin und auf den Monitor gestarrt habe. Ich war absolut unselbständig. Ein bisschen was habe ich gemacht (einen Antrag geschrieben, mit Unterstützung) und das war der Grund warum sie mir weiterhin eine Chance gegeben haben. Außerdem meinten sie: “der Bedarf ist da”, so dass sie mich auch gehalten haben, weil sie keinen Ersatz gefunden haben.
Nach 2 Jahren habe ich dann meine Medikamente auf das Minimum reduziert und meine Gedanken kamen wieder zurück. Außerdem habe ich noch eine vom Arbeitgeber unterstützten 2 oder 3 monatigen Lehrgang gemacht, wo ich auch wieder etwas Selbstvertrauen tanken konnte.
Seit dem geht es gut und ich werde immer produktiver.
Aber ich konzentriere mich auch stark auf die Arbeit, rauche nicht und trinke keinen Alkohol. Samstags mache ich Haushalt und Sonntags nehme ich mir strikt frei. In diesem relativ rigiden Rahmen geht das ganz gut.
16/10/2019 um 6:53 Uhr #63749Ich arbeite in einer Behörde auf dem ersten Arbeitsmarkt seit Anfang 2015 als Ingenieur.
Mein Arbeitgeber weiß nichts von meiner Erkrankung und auch nichts von meiner Schwerbehinderung von GdB50.
Hätte ich im Einstellungsverfahren hierzu Angaben gemacht, wäre ich nicht eingestellt worden.
16/10/2019 um 11:21 Uhr #63786AnonymIch studiere noch und werde nächstes Jahr im mai in den ersten Arbeitsmarkt einsteigen. Hoffe das klappt alles. Bin nicht mehr so aufnahmefähig wie früher, aber es wird besser.
16/10/2019 um 11:47 Uhr #63787AnonymIch muss höchstwahrscheinlich in Pension was mich gar nicht freut.
16/10/2019 um 12:01 Uhr #63788@mowa davor habe ich den größten Schiss, die Stelle die ich in Aussicht habe anzutreten und dann während der Arbeit akut zu werden – das wäre einfach nur das schlimmste was passieren könnte!
@nichtraucher du hattest seitdem du den Job angetreten bist auch keinen Rückfall mehr oder?16/10/2019 um 12:12 Uhr #63792ich hatte keinen Rückfall.
Hier und da sind meine Gedanken zwar ein bisschen eigen, und ich komme dadurch mit manchen Leuten in leichte Konflikte, aber nur in meinem Umfeld und nicht in der Arbeit.
Aber ich habe auch nie die Medikamente vollständig abgesetzt und bin davor immer gewarnt worden. Wahrscheinlich werde ich sie bis zum Rest meines Lebens nehmen, obwohl sie mir eigentlich “emotional” und spirituell nur geschadet haben. Einzig finanziell haben sie sich für mich rentiert.
Ich verkaufe somit einen Teil meiner Seele, der durch die Medikamente abgeschalten wird, und erhalte damit einfach Geld. Es ist auch nicht schlecht, das Geld gibt mir auch ein gutes Gefühl. Und mein psychotisches Erleben war zwar interessant und toll, aber dafür kann ich mir eben auch nichts kaufen.
Wenn ich in der Psychose den Wunsch hatte, den Islam mit dem Christentum in mir zu vereinen, so habe ich jetzt das Ziel einer Eigentumswohnung. So ungefähr haben sich die Sachen mit den Medikamenten verändert.
16/10/2019 um 13:21 Uhr #63805@nichtraucher du hattest eine psychotische Krise in deinem gesamten Leben? Oder mehrere? Was die Medikamente angeht, würde es sich ja schon lohnen irgendwann mal herauszufinden ob du zu dem glücklichen drittel der Menschen zählst die nur eine Episode durchleben müssen in ihrem Leben, oder?
16/10/2019 um 14:35 Uhr #63810ich war in meinem Leben 2 Mal in einem psychiatrischen Krankenhaus zur Behandlung.
Das erste mal 2007 und das zweite mal 2015.
Ich würde aber sagen, dass ich 3 Psychosen hatte, oder 3 größere Wellen, 2006 ging es los, 2007 kam es nochmal viel stärker hervor.
2007 habe ich Medikamente verweigert und konnte somit ohne Probleme mein Studium abschließen. Damals waren aber auch noch Drogen im Spiel, auf die ich einfach verzichtet hatte. Ich hatte dann noch etwas Beziehungswahn und so, aber das legte sich dann irgendwann von alleine, auf jedenfall OHNE Neuroleptika.
Erst 2013, als mich meine Freundin verlassen hatte, bin ich wieder psychotisch geworden und auch da habe ich eine Behandlung abgelehnt, bis 2015, als ich dann meine Arbeit verloren habe und wieder bei meinen Eltern einziehen musste. Erst seit damals bekomme ich Neuroleptika.
Ich weiß also seit 2013, dass zuviel “Stress” oder zuviel “Schmerz” bei mir eine Psychose auslösen, auch ohne Drogen. Ich weiß also, dass ich weniger belastbar bin. Ich denke also, wenn das Leben wieder etwas ruppiger wird, dass ich dann wieder eine Psychose haben könnte. Und jetzt, nach den Medikamenten, denke ich auch, dass ich empfindlicher bin für Supersensitivitäts-Psychosen.
16/10/2019 um 17:10 Uhr #63815das wäre einfach nur das schlimmste was passieren könnte!
Das ist Deine persönliche Ansicht, und diese kann ich auch nachvollziehen.
Ich persönlich habe es vorgezogen, eigene Erfahrungen mit Absetzen zu sammeln.
Das schlimmste, was mir jetzt passieren könnte ist, dass ich mich wieder dauerhaft mit 15 mg Aripiprazol (oder mit anderen NLs in mittleren und hohen Dosen) behandeln lasse und wieder in den Zombie-Zustand zurückversetzt werde.
Freiwillig werde ich es mir nicht mehr antun…
16/10/2019 um 18:29 Uhr #63822Hallo Wunder,
ich arbeite auf dem ersten Arbeitsmarkt in der freien Wirtschaft als technische Zeichnerin vollzeit. Ich habe einen unbefristeten Vertrag und bin seit drei Jahren dabei.
Bei der Einstellung habe ich meine Erkrankung verschwiegen.
Ich hatte in der Zeit keinen großen Rückfall, einmal hab ich mich eine Woche krankschreiben lassen, weil ich präpsychotisch war. Das hab ich dann aber medikamentös schnell abfangen können.
Meine Kollegen und mein Chef wissen schwammig, dass ich eine psychische Erkrankung habe durch die nicht benannte Präpsychose. Ich sagte zu der kleinen Krise, dass ich mal Depressionen hatte.
Meine vierte Psychose hatte ich Anfang 2013. Seitdem bin ich gut eingestellt und nur wenig eingeschränkt durch die Medikamente.
Ich mache die Erkrankung nicht groß zum Thema, die Leistung steht im Vordergrund.
Meistens komme ich mit den Kollegen gut klar, auch wenn ich immerwieder beweisen muss, das ich belastbar bin. Dadurch, dass sie so schwammig bescheid wissen, werde ich manchmal in Frage gestellt wenn ich selbst etwas unsicherer bin. Aber ich denke sie wissen schon, dass sie sich auf meine Arbeit verlassen können.
Mit 40 Stunden die Woche komme ich klar, Überstunden sind schon sehr anstrengend für mich.
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