An den eigenen Haaren aus dem Sumpf herausziehen

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  • #75399

    Kein schönes Thema zu Weihnachten, aber wie habt ihr es geschafft euch aus diesem Sumpf aus Negativsymptomen, Medikamentennebenwirkungen und Depression wieder herauszuziehen?

    Ich bin jetzt schon ein ganzes Jahr beschäftigt damit und finde einfach keinen gangbaren Weg, vor allem weil mich die Medikamente einfach so fertig machen – ich habe kaum ein Körpergefühl, stehe meistens neben mir, habe kaum Gefühle.
    Mir ist das jetzt so deutlich geworden an Weihnachten, wie affektverflacht und sprachverarmt ich einfach bin und ich leide richtig darunter, kann mich garnicht mehr verbinden mit den Menschen die mir wichtig sind.

    Würde mich freuen wenn ihr mir eure Geschichte hier aufschreibt, wie ihr es geschafft habt. Was eure Ressourcen waren auf die ihr zurückgegriffen habt und eure Lösungswege die ihr gegangen seid.

    • Dieses Thema wurde geändert vor 4 Jahre, 4 Monate von wunder.
    #75403

    Meine Geschichte: https://alxdo.jimdofree.com/startseite/erfahrungsbericht-psychose/


    Tägliche Medikation:
    400 mg Amisulprid
    12,5 mg HCT
    10 mg Ramipril

    ab 04.03.2024:
    500 mg Amisulprid
    5 mg Olanzapin
    12,5 mg HCT
    10 mg Ramipril

    ab 15.03.2024
    600 mg Amisulprid
    12,5 mg HCT
    10 mg Ramipril
    4mg Doxagamma
    Ab 22.04.2024 400 und 150 mg Amisulprid
    Ab 02.05. 6 mg Doxagamma und 25 mg HCT, 550 mg Amisulprid und 10 mg Ramipril

    #75406

    Komplexes Thema mein lieber @wunder. Bei mir haben nur Medikamente geholfen. In der Psychiatrie hatten wir auch psychologische Unterstützung, aber glaube nicht an die Psychologie. Es waren einfach die Medikamente. Es braucht Zeit. Sehr viel Zeit. Nach der postpsychotischen Depression mit Suizidgedanken hatte ich auch so eine Phase. Mir hat dann Venlafaxin geholfen ein SNRI. Die Affektverflachung und Sprachverarmung habe ich auch. Das ist aber nichts schlimmes finde ich. Man lacht halt manchmal nicht mit. Na und?

    Was nimmst Du denn alles für Medikamente?

    #75409

    Hi @Metalhead666, ich bin eine liebe wunder, kein lieber :)
    Wann war denn deine letzte Psychose? Würdest du denn sagen das Venlafaxin hatte einen großen Effekt bei dir?

    Ich weigere mich immer noch so sehr Antidepressiva zu nehmen, ich hab irgendwie die Angst mit diesen noch mehr abzustumpfen und dann wirklich garkeine Gefühle mehr zu haben…

    Ich nehme aktuell Reagila 1,5mg, das soll ja eigentlich gut gegen Negativsymptome sein. Aber mich macht es einfach nur sehr steif, ich hab Probleme mit dem Schlaf bekommen und hab eine innere Unruhe… ich würde es am liebsten ganz absetzen, aber was dann passiert steht in den Sternen leider :(

    #75412
    Anonym

      Ich bin leider gar nicht abgestumpft , ich bin total emotional. Muss sogar tavor deshalb nehmen. Emotionen belasten mich oft. Ich mache deshalb auch den Sport. Bodybuilding etc..was positive Nebeneffekte hat.

      #75413

      Ok liebe Wunder ;-) Vor Antidepressiva muss man sich nicht ängstigen. Sie machen nicht gefühllos, zumindest nicht die neueren. Meine letzte richtige Psychose war vor zwei Jahren und dazwischen immer mal wieder psychotische Symptome, aber ohne Klinik. Erst jetzt bin ich einigermaßen stabil dank meinem Medikamentencocktail. Venlafaxin hat mich aus einer schweren Lage befreit. Es ist leicht antriebssteigernd und hat mir auch gegen Negativsymptome geholfen. Ich würde es aufjedenfall probieren. Ein Jahr ist eine lange Zeit. Du wirst es nicht bereuen Antidepressiva zu nehmen. Reagila hat mich saumäßig unruhig gemacht. Da habe ich gleich wieder meine Medikation auf Olanzapin umgestellt. Des hat bei mir gar nichts gebracht. Genauso auch Aripiprazol. Aber das nur am Rande.

      #75424

      @wunder Zu Weihnachten schaut man gerne mal auf sich drauf und dann kann man leicht eine Krise kriegen; diese Stimmung zu der speziellen Zeit darf man nicht so ernst nehmen. ;)

      Meine wichtigsten Ressourcen nach einen Zusammenbruch sind, glaub ich, Bewegung, gesunde Ernährung, Literatur und Musik.

      #75425

      Mir haben die Medis sehr gut geholfen, dann hatte ich 8Jahre Therapie und mein Hund hat für Körperkontakt gesorgt,den ich total abgelehnt hab bei anderen. Meine Mom und Schwägerin bzw. auch eine Schwester haben geduldig zugehört wenn ich wieder weinen musste und Angst hatte. Mit ein paar kleineren Zwischenfällen bin ich aber relativ gut auf dem Weg. Hab Energieprobleme, nach Anstrengung lieg ich meist den nä. Tag/e flach. Dem vorzubeugen nehm ich in solchen Fällen Lorazepam 0,5 – 1mg.  Ansonsten Melissentee, Weissertee (noch besser), Wärmflasche, mein Dogi und Musik halten mich im Rahmen. Tagsüber bin ich bei meiner Mom, so haben wir beide was davon. Also Amytriptillin als AD würd ich nicht empfehlen, das hat mich so leer fühlen lassen. Hab jetzt noch Probleme positive Gefühle zu fühlen, aber mitgefühl, traurigkeit oder wut geht wieder. :bye:


      https://butterflys-pearl-kalina.hpage.com/willkommen.html
      https://hamasi-ben-ihmz-achthamar.hpage.com/willkommen.html

      D / 49Jahre
      Quetiapin 200 +400 , Risperidon 2mg, Doxepin 2x 50mg,
      Ofiril 2x 150mg, Bedarf Lorazepam
      L-Thyroxin

      #75428

      Das was du beschreibst @Wunder, wird jeder hier kennen und auf die Frage “Wie habt ihr das Überwunden”, wirst du von jedem wahrscheinlich eine andere Antwort bekommen.

      Eine Sache wirst du aber immer wieder hören: Zeit.

      Das letzte Jahr mag dir wie eine Ewigkeit vorgekommen sein, aber du wirst dich noch Gedulden müssen.
      Ich z.B. war erst nach 3 Jahren aus dem Gröbsten raus, von da an ging es in kleinen Schritten aufwärts.

      —–

      Aus diesem Artikel:
      https://www.heise.de/tp/features/Es-gibt-keine-Schizophrenie-3825681.html

      Jim van Os: Wir berücksichtigten vierzig Jahre Erfahrungsliteratur von Patientinnen und Patienten. Darin können wir sehen, was ihnen am meisten geholfen hat. Diese Literatur zeigt uns, dass es um einen persönlichen Genesungsprozess geht: Jemand muss neue Ziele finden, sich selbst neu erfinden, eine neue Geschichte von sich selbst schreiben. Die eigene Kraft ist dafür von zentraler Bedeutung, wie kann er oder sie das Leben trotz der vielleicht bleibenden Anfälligkeit und Einschränkungen als sinnvoll erfahren? Das nennen wir “Sinngebung”.
      —–

      Dieser Aussage kann ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen.

      Du muss neue Ziele finden, dich selbst neu erfinden, eine neue Geschichte von dir schreiben.
      Ohne Ziele hat das ziehen an den Haaren keinen Sinn, da du sonst nicht weißt wofür du diesen Kraftakt durchstehen solltest.

      Mich gibt es nun zweimal:
      Einmal vor und einmal nach der Psychose.
      Das Ziel sollte übrigens nicht sein, das alte Leben wieder haben zu wollen. Weil zu diesem alten Leben gehört mindestens ein Auslöser der Psychose.

      #75444
      Anonym

        Hallo @wunder

        Ich selbst habe ein längere Krankheitsgeschichte hinter mir, bald 20 Jahre. Ich selbst glaube auch, und habe die Erfahrung machen dürfen, dass man an sich arbeiten kann um sich so ganz wie der Titel von diesem Thread sagt selbst Stück für Stück aus dem Sumpf ziehen zu können. Man kann (und sollte) das machen, also an sich arbeiten, sich das Leben nach und nach wieder zurückzuerobern. Mit Schizophrenie und unseren Medikamenten scheint einem plötzlich so viel zu fehlen, was man gleich nach dem Fall so bitter vermisst! Aber viele Geschichten erzählen, dass so etwas nicht vergebens ist, dass man sich da wieder rausholen kann, sich vieles zurückerobern und auch darauf noch etwas ganz neues draufsetzen!

        Es braucht nur vielleicht etwas mehr Entschlossenheit und Durchhaltewillen, als bei einem gesunden, der so etwas ja ohne mentales Handycap macht. Ich bin meine Depressiven- bzw Negativsymptome ausser einem generellen Mangel an Kraft, mit dem ich aber gelernt habe zu leben, damit irgendwie ganz losgeworden. Ich selbst hatte keine Antidepressiva, aber habe oft gehört, dass diese hilfreich sein können. Die ersten Jahre nach Ausbruch der Erkrankung lag ich halt flach, aber irgendwann habe ich Stück für Stück angefangen, an mir zu arbeiten, und mit dieser Arbeit fing es dann irgendwann an mir immer besser zu gehen, und ich kam auch mit meinen Schwierigkeiten immer besser klar.

        Um was für Sachen ging es bei mir konkret? Bei mir waren es der Umgang mit Symptomen, vor allem in der Öffentlichkeit und in sozialen Situationen (Paranoia & Ängste abbauen usw., ich leide unter chronischer Positivsymptomatik), gesunder Lebenswandel was Ernährung, Rauchen/Trinken/Drogen und Bewegung angeht, spirituelle und sonstige Persönlichkeitsentwicklung, Alltag, Pflege usw. wieder besser auf die Reihe kriegen, immer wieder sinnvoll beschäftigen statt zu dümpeln, soziale Situationen besser meistern und offener anderen gegenüber zu sein. Das sind schon mal ein paar Eckpunkte, wo man ansetzen kann etwas zu machen. Last but not least der Plan zum Leben, also worauf will ich hinausarbeiten, bei mir ist es mit der Musikproduktion Profi zu werden, und ich arbeite wann immer ich kann an diesem Traum, bin auch schon eine gutes Stück vom Weg erfolgreich gegangen!

        Vielleicht ist auch Lebensweisheit so ein Punkt, was erstrebenwert ist für den Umgang mit Schizophrenie… Also ein grosses Abgeklärtsein, was bis dahin gehen kann, dass man das Leben mit Begeisterung versucht so zunehmen, wie es nunmal ist, so dass man keine weiteren Gründe braucht um immer weiter damit zu machen – und solche Weisheit kann man auch finden, in der Arbeit an sich selbst und als Produkt dieser ganz besonders…

        Natürlich ist unsereins auch in einer besonders schweren Situation durch die starke Beeinträchtigung der psychischen Kraft, und braucht vielleicht Hilfen, oder ein stärkendes bzw. vereinfachendes gutes Konzept, um sich konsequent zu überwinden. Ein bisschen Geduld und Hartnäckigkeit braucht man schon, auch deutlich mehr als ein Gesunder Mensch denke ich. Ich habe meine eigene intuitiven Techniken zur Arbeit und Motivation finden und entwickeln dürfen, andere können sich aber dabei z.B. Hilfe von einem Therapeuten oder Coach bzw. Lebensberater holen, wenn es darum geht wann und wie setze ich an um mich und meinen Alltag zu ändern. Ich fand wichtig, dass ich mich immer nur auf eine (grössere) Sache zu jeder Zeit zu konzentrieren versuchte. Immer das wichtigste Projekt zuerst, oder die Vorbedingungen zu einem, und dann die Baustellen eine nach der anderen in’s Leben integrieren. So hat man sein bisschen Kraft immer auf den gerade wichtigsten Punkt Konzentriert, und kommt auch bei der Pflege der bereits gelernten Konzepte nicht so schnell durcheinander.

        Ich finde auch, man legt sich selbst einen guten Grund, wenn man nicht aufsteckt und versucht sich zu organisieren. Alles, was man einmal richtig erlernt und gemeistert hat, bekommt man auch nach Rückschlägen meist recht schnell wieder zurück. Ich habe z.B. derzeit so einen Rückschlag, mit starken Positivsymptomen die mich sehr zurückgeworfen und aus der Spur geboxt haben, aber ich baue auf auf all der Arbeit an mir in den letzten 15 Jahren, und weiss da ist ein guter Grund gelegt, um schnell wieder auf die Beine zu gelangen, wenn das Tal sich wieder lichtet. Tut man sich gutes, tut man es also auch präventiv um kommende Rückschläge abzufedern! Und wenn man einmal gelernt hat, systematisch an sich selbst zu arbeiten, dann fällt einem zukünftige Arbeit dieser Art auch immer leichter und wird immer freudvoller und ergiebiger!

        #75447

        @PlanB

        Dem stimme ich genau zu

        #75485

        Danke für eure Antworten


        @planB
        : du schreibst dass es nicht das Ziel sein sollte das alte Leben zurückzugewinnen, aber das ist mein einziger Anker, zu wissen wie ich früher drauf war und zu hoffen, dass ich auch nur annähernd wieder dahin zurückkommen kann. Ich will einfach nicht der Mensch sein, der ich jetzt im Moment bin, das bin nicht ich! Das ist irgendjemand mit schweren Symptomen, aber nicht ich!

        Und ja: Geduld, das wurde mir schon oft gesagt, aber ich bin einfach langsam am verzweifeln, weil mir die Geduld einfach ausgeht, ich will so einfach nicht mehr das es auf diese Weise weitergeht…

        #75486

        Unabhängig von Psychose entwickelt man sich als Mensch ja weiter.
        Das meiste was du im Alter von 15 toll gefunden hast, wirst du mit 30 wahrscheinlich nicht mehr so spannend finden.

        Mich hat die Psychose für Jahre aus dem Leben gerissen und dieser “normale” Entwicklungsprozess wurde jäh unterbrochen.
        Und da die Psychose so ein Einschneidendes Erlebnis für mich war, bin ich mir sicher, das man nach einer Psychose nicht einfach da weiter machen, wo man vorher stand.

        Ausserdem richtest du deinen Blick automatisch auf die Vergangenheit, wenn du “wie früher” werden willst, du musst aber nach vorne schauen.
        Wenn jemand sein Bein verloren hat, dann hilft es ihm wenig darüber nachzudenken, das er ja ein Basketballer hätte werden können und er dieses Ziel nun nie erreichen wird.
        Er könnte aber stattdessen jetzt Rollstuhlbaskeballer werden.

        Der Punkt Psychose, mit allem was dazu gehört, ist nun Teil deines neuen Ichs @wunder. Und diesen Teil wirst du in dein neues Leben integrieren müssen. Alleine deswegen, wirst du nie wieder wie früher sein.
        Du bist schon ein anderer Mensch dadurch.

        • Diese Antwort wurde geändert vor 4 Jahre, 4 Monate von PlanB.
        #75488

        Eben das Gefühl habe ich nicht, dass ich mich unabhängig von der Psychose weiterentwickele, eher das ich große Rückschritte in meiner Entwicklung gemacht habe, bzw. jetzt erstmal Stillstand ist was die Persönlichkeitsentwicklung angeht.

        Die Psychose hat mein gesamtes Leben sowieso schon verändert, dort weitermachen wo ich vor der Psychose aufgehört habe, daran ist nicht zu denken – also ja du hast in dem Punkt schon Recht, ich bin schon jetzt ein völlig anderer Mensch.

        Nur wie integriere ich das in mein neues Leben? Psychose mit allem was dazugehört, also Negativsymptomen etc. pp. wie integriert man das – mir ist das einfach völlig unklar?

        #75489

        An die Negativsymptome kann und sollte man sich nicht gewöhnen, also die Negativsymptome werden hoffentlich nicht die nächsten Jahre zu deinem Leben gehören.
        Hast du das schon mal mit deinem Arzt besprochen, also z.B. Richtung reduzierung der Meds.

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