Was bleibt nach der Diagnose F.20?

Home Forums ALLGEMEIN (öffentlich) Was bleibt nach der Diagnose F.20?

Viewing 11 posts - 16 through 26 (of 26 total)
  • Author
    Posts
  • #14906
    Anonymous

      Hallo liebe Gemeinde,
      das Leben nach der Psychose ist bei mir ein komplett anderes, nicht nur rein äußerlich, sondern vor allem auch innerlich. Es ist ja so, dass es rein logisch auch gar nicht mehr so sein kann wie vorher, weil die Psychose- und Psychiatrieerfahrung eben da ist. Aber es ändern sich alle Beziehungen. Ich bin komplett aus meinem alten Leben rausgefallen.
      Merkwürdigerweise hatte ich aber nie Sehnsucht nach dem alten Leben. Zwar habe ich darüber nachgedacht, was ich hätte anders machen können, und da wäre schon einiges gewesen, aber Sehnsucht nach dem Leben vor der Psychose hatte ich nie.
      Im Gegenteil empfand und empfinde ich das Leben nach der Psychose als besser als vorher, auch wenn es einen totalen beruflichen und privaten Bruch bedeutete und ich niemals mehr materiell und auch sonst so dastand wie vorher.
      Für mich bedeutete die Psychose einen wichtigen Reifungsprozess und eine Wendung nach Innen, die ich auch nicht mehr missen möchte. Zwar fände ich materielle Dinge auch als sehr gut für mich und auch privat würde ich mir eine bessere Existenz wünschen, aber mein Leben ist besser seitdem, wobei ich das nicht an bestimmten Kriterien festmachen kann. Ich denke heute so, dass ich Familie und Kinder vermisse und auch niemals wirklich “Erfolg” in meinem Leben hatte, den ich irgendwie vorweisen könnte. Die ganze Zeit habe ich damit verbracht, irgendwie geistig, seelisch und materiell zu überleben. Es war ein einziger Kampf seit der Psychose, aber innerlich bin ich bewusster geworden. Ich bin jedoch sehr an meinem Leben gewachsen. Das ist mein innerliches Gefühl, dass es ein immerwährender Wachstumsprozess war, der bis heute anhält. Heute finde ich mich in meiner Situation nicht richtig zurecht, aber ich gebe mir Mühe damit. So wie ich mir immer Mühe gegeben habe, alles auf die Reihe zu bekommen, nur leider immer wieder nicht geschafft habe. Das ist eigentlich das, was mich am meisten enttäuscht.

      Viele Grüße
      Grenfell

      #14931
      Anonymous

        Ich meinte mit Wahrheit deine persönliche Wahrheit – wie du die Dinge siehst und empfindest. Deine subjektive Wahrheit also, nicht die von außen bewertbare.

        Was das Lügen in der Psychiatrie betrifft, gebe ich dir Recht, auch ich habe dort gelernt, mich zu verstecken und zu lügen. Einfach weil ich gemerkt habe, dass mir die Worte im Munde umgedreht wurden, dass niemand das gehört hat, was ich gesagt habe sondern nur das, was in den F20 Katalog passte. Das war eine erschreckende Erfahrung, wie eingeschränkt und symptomorientiert die Ärzte dort gedacht haben. Das Lügen war die einzige Chance, sich zu schützen. Trotzdem bin ich im täglichen Leben nach wie vor sehr wahrheitsliebend. Ich trenne das von meiner Klinikerfahrung.

        #14932

        Es bleibt immerhin eine alternative Perspektive, die man tatsächlich wahrgenommen hat. Aus 2 Welten kann man sich also vielleicht letztendlich eine 3. Welt erschaffen. Das finde ich gut an den Erfahrungen mit F20.

        #14937
        Anonymous

          Hallo Nevermind,
          Gehört zu einer Nachricht nicht vor allem auch der Empfänger der Nachricht? Ich meine, für eine Nachricht ist es nicht wichtig, was man auch immer gemeint hat, sondern was beim Empfänger angekommen ist.
          Wenn Du in der Psychiatrie lügst und Dich versteckst, dann kommt bei den Leuten an, die Dir helfen wollen, dass Du betrügst. Inwiefern Du Dich damit schützt, das ist mir ein Rätsel.

          Und wie soll das jemand entscheiden, ob Du Dich gerade schützen willst und Du deshalb lügst oder ob Du Dich gerade ungefährdet fühlst und deshalb nicht lügst? Ist es nicht gerade dann, wenn man angegriffen wird, viel wichtiger, bei der Wahrheit zu bleiben und diese richtig zum Empfänger zu transportieren, als wenn gerade alles locker ist?

          Viele Grüße
          Grenfell

          #14942
          Anonymous

            Hallo Grenfell,

            ich hatte beim ersten Mal in der Klinik das nicht unbegründete Gefühl, ständig missverstanden zu werden. Als hätten die Ärzte F20-Scheuklappen auf dem Kopf. Harmlose Erzählungen wurde im Nachhinein als Halluzinationen interpretiert, ein von mir berichteter Traum wurde als Realität angenommen (ich hätte erzählt, dass das wirklich passiert ist), Gerüche, von denen ich berichtete und die definitiv da waren (z. Bsp. der Geruch von Rauch im Schwimmbad, weil es da eine Raucherecke gab), wurden als Geruchshalluzinationen gewertet usw.. Sagen wir mal so, ich habe einfach angefangen, zu schweigen. Auf die Frage nach Suizidgedanken habe ich wirklich gelogen weil sie mich in die Geschlossene verlegen wollten. Also habe ich verneint und mich gewundert, wie leicht es ist, dort wieder rauszukommen, wenn man schweigt bzw. lügt. Das war nämlich alles, was ich wollte: raus.

            Viele Grüße,
            Nevermind

            #14953

            Naja, was bleibt schon. Es bleiben viele Einschränkungen. Trotzdem hatte ich zum Beispiel letzten Sommer eine Zeit, in der es mir wirklich gut ging. Es muss nicht nur scheizze sein, nach dieser Diagnose.

            #14956
            Anonymous

              Ich bin außerhalb der Klinik auch sehr wahrheitsliebend, liebe Nevermind.

              Was noch alles übrig geblieben ist, sind viele gute Charaktereigenschaften, die während der Psychose schwer geprüft worden sind, die ich mir aber alle erhalten konnte. Und die Erkenntnis, dass ich ziemlich zäh bin, Durchhaltevermögen habe und den Glauben an bessere Zeiten nie aufgeben werde.

              #14969
              Anonymous

                Ich denke, ich habe mich auf jeden Fall verändert aber nicht grundlegend. Das schlimmste für mich ist, dass ich mir und meiner Realitätsprüfung nicht mehr ganz traue. Ich bin sehr rational und nüchtern geworden, vorher war ich spiritueller. Ich habe aber das Gefühl, dass das alles noch da ist und mich irgendwann wieder bereichern wird.

                In dem Buch “Schizophrenie-ein Denkausbruch mit Folgen” wird sehr schön auf die eigentlich und ursprünglich positiven Eigenschaften Schizophrener eingegangen, liebe Lightness!

                #14986
                Anonymous

                  Nevermind

                  Ich hatte das Buch mal, habe es aber weggegeben, weil ich mich nicht mit der Erkrankung beschäftigen wollte.

                  #15016
                  Anonymous

                    Ach Lightness, so eine Phase hatte ich auch, da habe ich die meisten Schizobücher auf Momox verkauft. Dieses aber habe ich behalten weil es tatsächlich positiv auf mich wirkte.

                    #16840
                    Anonymous

                      ja, dieses Buch ist mMn eins der besten über Schizophrenie.

                      Sonst hat es HSP auf den Punkt gebracht. Die kleinen Dinge sind es eh, die Glücklich machen. Und wenn man jeden Tag noch ne Sache erledigt die kein Spaß macht, läufts auch besser.

                      Was bleibt = mit dem Zufrieden sein, was ist.

                    Viewing 11 posts - 16 through 26 (of 26 total)
                    • You must be logged in to reply to this topic.