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19/07/2025 um 8:50 Uhr #410036
Erwerbsminderung: Psychische Überforderung allein rechtfertigt keine Rente
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Gegen-Hartz.de, 17.07.2025, Lesedauer 2 Minuten.
Auch wenn Sie psychisch belastet sind und psychiatrische Diagnosen vorweisen, haben Sie dadurch noch keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente. Entscheidend ist vielmehr, ob Sie mindestens sechs Stunden pro Tag einer Erwerbsbeschäftigung nachgehen können. So entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg und hob damit ein vorheriges Urteil des Sozialgerichts Freiburg auf. (L 10 R 590/24)Depression und Schizophrenie
Die Betroffene beanspruchte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sie begründete dies gegenüber der Deutschen Rentenversicherung damit, dass Sie an einer rezidivierenden depressiven Störung und an Schizophrenie leide. Dies mindere Ihre Fähigkeit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zuvor arbeitete sie als Erzieherin.
Eine stationäre Rehabilitation kam zu dem Ergebnis, dass die Frau noch mindestens sechs Stunden täglich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausüben konnte.
Die zuständigen Ärzte der Reha-Klinik notierten einen deutlichen Unterschied zwischen den eigenen Angaben der Betroffenen und dem klinischen Befund. Dies bestätigte auch ein späteres fachärztliches Gutachten.
Kurz gesagt: Die Ärzte kamen zu dem Ergebnis, dass die Betroffene ihre Erwerbsminderung subjektiv deutlich stärker einschätzte, als sie mit medizinisch war. Die Rentenversicherung lehnte den Antrag auf dieser Grundlage ab. Einen Widerspruch der Betroffenen wies die Rentenversicherung zurück, und so ging sie vor das Sozialgericht Freiburg.
Sozialgericht bestätigt Anspruch auf Erwerbsminderungsrente
Das Sozialgericht Freiburg bestätigte teilweise den Anspruch der Frau auf eine Erwerbsminderungsrente. Zwar sahen die Richter keine volle Erwerbsminderung, erkannten aber eine teilweise Erwerbsminderung.
Kriterium für eine volle Erwerbsminderung ist es, nur weniger als drei Stunden pro Tag einer Erwerbsbeschäftigung nachgehen zu können. Bei einer teilweisen oder halben Erwerbsminderung liegt die mögliche tägliche Arbeitszeit bei unter sechs Stunden.
Das Sozialgericht verpflichtete die Rentenversicherung dazu, eine befristete teilweise Erwerbsminderungsrente zu gewähren.
Um diese Entscheidung zu verstehen, ist eine rechtliche Grundlage wichtig: Sozialgerichte nehmen Einsicht in medizinische Gutachten und ärztliche Befunde, um zu beurteilen, ob eine Erwerbsminderung vorliegt. Die Richter sind aber nicht dazu verpflichtet, die Einschätzung dieser Gutachten zu übernehmen.
Rentenversicherung geht in Berufung
Die Rentenversicherung akzeptierte dieses Urteil nicht, sondern ging in Berufung vor dem Landessozialgericht. Die Berufung war erfolgreich. Das Landessozialgericht hob das vorherige Urteil auf.
Die Richter bezogen sich auf die vorliegenden Gutachten und erklärten, dass diesen zufolge keine Erwerbsminderung vorliege – auch keine teilweise. Zumindest würden die Belege dafür nicht ausreichen. Die Beeinträchtigungen würden eine Tätigkeit von mindestens sechs Stunden pro Tag ermöglichen.
Richter stellen subjektive Angaben in Frage
Die Richter stellten für die objektive Beweisaufnahme ein Gutachten in Frage, das der Betroffenen Schizophrenie diagnostiziert hatte. Ihre Kritik war, dass diese Einschätzung weitgehend auf den subjektiven Angaben der Betroffenen beruhte. Damit sei es als Nachweis für eine Erwerbsminderung nicht überzeugend.
Qualitative Einschränkungen, keine quantitativen
Die Richter stellten klar, dass es bei einer Erwerbsminderungsrente um die Arbeitszeit geht, also um quantitative Einschränken der Erwerbsfähigkeit. Sie bestätigten, dass die Betroffene tatsächliche Einschränkungen in der Qualität Ihrer Arbeit habe.
So dürfte sie keinem erheblichen Zeitdruck ausgesetzt sein, keine besondere Verantwortung für Personen und Maschinen übernehmen und dürfe auch nicht in Nachschicht arbeiten. Diese Einschränkungen bezögen sich aber auf die Form der Arbeit, und nicht auf die zu leistenden Arbeitsstunden.
Eine tägliche Erwerbstätigkeit von mindestens sechs Stunden sei grundsätzlich möglich, und damit gebe es keinen Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.
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Autor:
Dr. Utz Anhalt, ist Buchautor, Publizist, Sozialrechtsexperte und Historiker. 2000 schloss er ein Magister Artium (M.A.) in Geschichte und Politik an der Universität Hannover ab. Seine Schwerpunkte liegen im Sozialrecht und Sozialpolitik. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Dokumentationen für ZDF , History Channel, Pro7, NTV, MTV, Sat1.
.Quelle:.
Petition für einen Wandel im psychiatrischen Gesundheitswesen und in der Psychopharmakologie – an die WHO und weitere:
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