Home › Foren › THERAPIE › Zu wenig Psychopharmaka oder nicht? › Antwort auf: Zu wenig Psychopharmaka oder nicht?

Hallo,
aus meiner ärztlichen Sicht ist in Bezug auf die Verhinderung eines Krankheitsrückfalles wesentlich, dass durchgängig eine geringe Blockadewirkung auf das dopaminerge System im Gehirn durch die Medikamente bewirkt wird.
In Bezug auf die Auswahl des Medikaments sind es drei Fragen: 1) ist das Antipsychotikum grundsätzlich geeignet, im jeweiligen Einzelfall eine Psychose zu verhindern oder zu behandeln, zweitens welche Dosierung ist zu empfehlen bzw. minimal notwendig, und 3) wie sind die Nebenwirkungen.
1) kann man im Einzelfall am besten herausfinden, wenn Erfahrungen mit der erfolgreichen Behandlung bei akuten Symptomen vorliegen. Die Grundsatfrage ist Typisches Antipsychotikum (z.B. Haloperidol) der ersten Generation, Atypisches der zweiten Generation oder Clozapin bei Therapieresistenz der beiden anderen. Vor allem unter Berücksichtigung der individuellen Nebenwirkungen.
2) Damit das Medikament im Gehirn ankommt, muss es erst einmal ins Blut gelangen. Also das geht nur, wenn es auch regelmäßig eingenommen wird oder als Depotspritze. Wenn es durch den Darm aufgenommen wird, kann es bei wenigen Menschen genetisch bedingt auch wieder zurück transportiert werden aus dem Blut in den Darm, weil der Darm merkt dass das ein Fremdstoff ist (sogenannter organic cation transporter, OCT). Oder es gibt Stoffe in der Nahrung, die eine zuverlässige Aufnahme verhindern. Ist aber auch selten ein Problem. Vom Darm geht es dann in die Leber, und da kann ein erster Abbau erfolgen, bevor es im Gehirn ankommt. Vor allem wenn man Zigaretten raucht, oder auch bei bestimmten anderen Medikamenten wird die Leber angeregt, abbauende Cytochrom-Enzyme zu bilden. Dann kann der Abbau doppelt oder dreimal so schnell gehen, und es bleibt nicht viel übrig zum Weitertransport ins Gehirn. Oder das Komedkament hemmt den Abbau, dann steigen die Spiegel auf das dreifache an, z.B. wenn man Clozapin einnimmt und dazu das Antidepressivum Fluvoxamin. Bei der Depotspritze wird die Leber umgangen. Daher ist der Spiegel sicherer aber niedriger und gleichmäßiger im Tagesverlauf weil es langsamer freigesetzt wird.
Im Gehirn kann auch noch gegen eine Aufnahme Widerstand geleistet werden, weil es die sogenannte Blut-Hirn-Schranke gibt und z.B. das p-Glykoprotein als einen Transporter. Einmal im Gehirn an den Rezeptoren angekommen kann es auch eine gewisse Zeit nach Absetzen dauern, bis das Medikament dort wieder abtransportiert wurde (Dauer von Nebenwirkungen anch Absetzen aber auch Schutz bis zur steigenden Rückfallgefahr).
Wieviel im Blut ankommt, kann man mit Plasmaspiegeluntersuchung feststellen, nüchtern morgens vor der Einnahme. Wieviel im Gehirn ankommt, kann man nur mit komplizierten Techniken (Positronenemissionstomographie PET) feststellen. MAcht deshalb keiner in der Routine.
Schlussfolgerung: Erst mal niedrig dosiert anfangen, dann Plasmaspiegel kontrollieren, ob über dem unteren Normbereichsrand. Und nur höher dosieren, wenn trotzdem klinisch nicht ausreichend wirksam.
3) Unter dieser Dosierung klinisch beobachten, welche Nebenwirkungen auftreten nach mehrwöchiger Einnahme. Möglichst vermeiden sollte man a) Parkinsonoid = Zittern, Steifigkeit, Antriebshemmung sowie Akathisie (Sitzunruhe) udn Spätdyskinesien b) metabolisches Syndrom = Heisshungerattacken, ständiger Hunger, Gewichtszunahme, Zuckerspiegelanstieg, Diabetes mellitus Typ II, c) anticholinerge Nebenwirkungen vor allem im höheren Alter = Mundtrockenheit, Harnverhalt, Verstopfung, Beeinträchtigung der Konzentration, d) deutlicher Anstieg des Hormons Prolaktin (Milchfluss, Osteoporose, Begünstigung gutartiger Tumore). Natürlich ist diese Aufzählung nicht abschließend. Man muss auch Kreislauf, Blutdruck, Müdigkeit etc. und mehr beachten.
MfG
Prof. Dr. Klimke